66. Sieg
Patch war schwindelig und er blutete aus einem Dutzend Wunden, aber keine von ihnen schien lebensbedrohlich zu sein. Er stolperte auf die Erde hinunter und hinein in ein vom Mond beleuchtetes Chaos aus fressenden Katzen und Eichhörnchen. Der Boden war nass vom Blut und übersäht mit Leichen von Ratten und Eichhörnchen und Katzen; das Seufzen und Stöhnen der einzelnen Verwundeten summierte sich beinahe zu einem Gebrüll, und er musste durch den Mund atmen, um zu vermeiden, dass er von der stechenden Intensität des Blutes und des Todes und der Verzweiflung, welche die Luft durchdrangen, überwältigt wurde. Patch raste dorthin, wo er Silver zuletzt gesehen hatte und begann, verzweifelt unter den Toten und Verwundeten zu suchen. Aber sie war nirgendwo.
„Patch,“ rief eine ausgelaugte Stimme und Twitch humpelte herüber, um sich zu ihm zu gesellen. Twitchs rechtes Vorderbein konnte kaum sein Gewicht halten und ein riesiger, blutiger Fellfetzen hing lose von seinem Rücken entlang seiner Wirbelsäule herab. „Wir haben gewonnen.“
Es hörte sich mehr nach einer Grabinschrift als nach einem Triumphschrei an.
„Hast du Silver gesehen?“ wollte Patch wissen. „Sie hat mit Snout gekämpft, ich habe sie gesehen.“
Twitch schüttelte seinen Kopf.
Ein riesiger, flatternder Schatten ließ sich vor Patch auf dem Boden nieder.
„Snout ist entkommen,“ sagte Karmerruk mit knirschender Stimme.
Er öffnete seine Krallen, und der zerstörte Leichnam eines kleinen Eichhörnchens fiel auf den Boden. Patch zögerte, kniff die Augen zusammen und dann weiteten sie sich, als er ihn erkannte.
„Redeye,“ sagte er, „der falsche König.“
Karmerruk zuckte mit den Schultern, als wären alle Eichhörnchen für ihn dasselbe.
„Meine Mutter mit dem silbernen Fell, Snout hat gegen sie gekämpft, hast du sie gesehen?“ fragte Patch.
„Nein.“ Karmerruk dachte nach. „Ich habe Ratten tote Eichhörnchen fortschleppen sehen und vielleicht schien eines von ihnen im Licht zu glänzen, aber keine dieser Ratten war Snout.“
Der Bussard spreizte seine Flügel und stieg hinauf. Patch starrte ihm hinterher, sah zu, wie er im Nachthimmel verschwand und dachte wütend nach. Er wollte es nicht denken und noch weniger zugeben – aber in seinem Herzen wusste er, dass Silver mit großer Sicherheit tot war und dass die Ratten ihren Leichnam mitgenommen hatten. Aber warum?
Eine neue und katzenartige Stimme unterbrach seine Träumerei: Alabast. Der große, weiße Kater war mit vielen frischen Wunden übersäht, sah aber immer noch zum Kampf bereit aus. Er sagte: „Patch, die Königin möchte mit dir sprechen.“
Patch folgte Alabast zur Eiche zurück. Twitch torkelte ihnen hinterher. Um sie herum hatten Wolken aus Krähen bereits damit begonnen, herabzusteigen und die Toten zu fressen. Die meisten derer, die am Leben waren, waren zu müde oder zu verletzt, um sie zu verjagen. Zelina stand inmitten eines ehrfürchtigen Auflaufs Dutzender Katzen unter der großen Eiche. Es war Blut an ihren Schnurrhaaren. Stardancer und Sharpclaw standen außerhalb der Katzenhorde und Patch machte eine kurze Pause, um mit ihnen zu sprechen.
„Habt ihr Silver gesehen?“ fragte Patch.
Stardancer schüttelte traurig seinen Kopf.
„Redeye ist tot.“
„Genau so wie König Thorn.“
Patch grunzte. „Ich schätze, das macht dich zum König.“
„Ich – das Mittlere Königreich hat nie einen Nördlichen König gehabt –“
Patch zuckte nachlässig mit den Schultern und folgte Alabast durch die Katzenhorde. Die meisten der Katzen betrachteten ihn argwöhnisch, bis sie die Art und Weise sahen, wie Zelina ihn anlächelte.
„Ich schickte Abgesandte los, bevor ich mich hier zu dir begeben habe,“ sagte sie. „Es gibt viele Katzen hier auf dieser Insel, Patch, Sohn von Silver. Die meisten von ihnen leben fett mit ihren menschlichen Bediensteten, aber sie wurden trotzdem zum Kampf bereit geboren, und ich bin immer noch ihre Königin. Wenn wir erwachen, sind wir die mächtigste Armee auf der ganzen Insel, außer vielleicht den Menschen selbst.“
„Das freut mich sehr.“
„Ist deine Mutter –“
„Sie ist gegangen,“ sagte Patch mit einer Stimme, die beinahe ein Geheul war, „sie ist gegangen, sie ist tot und sie haben sie mitgenommen.“
„Oh Patch, oh nein,“ hauchte Zelina. „Oh, es tut mir so leid.“
Patch brach zitternd auf dem Boden zusammen und Zelina kam zu ihm herüber, um ihn zu trösten, und die Katzen überall um sie herum seufzten vor Überraschung, als sie das Bedauern und die Zärtlichkeit sahen, mit der sie ihn berührte.
„Schlafe,“ flüsterte sie. „Ich werde dir nicht sagen, dass die Dinge besser sein werden, wenn du wieder aufwachst, liebster Patch, aber schlafe jetzt. Der Tag wird kommen. Du wirst heilen. Es war ihre Zeit.“
Dann sagte eine neue Stimme: „Warte.“
Patch schaute verzweifelt zu White empor, die sich irgendwie in die Katzenmenge hineingeschlichen hatte.
„Sie haben sie mitgenommen?“ fragte das Albinoeichhörnchen.
„Ja, ich konnte sie nicht finden, Karmerruk sagte, er sah Ratten tote Eichhörnchen davon schleppen, sie müssen sie mitgenommen haben –“
„Nein.“
„Nein was?“
„Nicht tot. Sie nehmen keine Toten mit. Sie nehmen die schwarzblutgebissenen. Sie nehmen sie, damit sie lebendig vom Unteren König verspeist werden.“
Patch kam plötzlich auf die Beine. „Dann ist Silver am Leben!“
Zelina schüttelte ihren Kopf. „Mittlerweile ist sie fort gegangen Patch. Es gibt überall auf der Insel Passagen in die Unterwelt. Sie ist ins Untere Königreich gegangen.“
Patch dachte an das Hundeding mit den goldenen Augen, das sich selbst Coyote nannte.
„Ich weiß,“ sagte er. „Ich weiß, wo sie sie hinbringen.“
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