A children's book for adults by Jon Evans
Aus dem amerikanischen Englisch von Sven Räbiger

15. September 2007

62. Feind meines Feindes

Patch schreckte knurrend aus seinem gestörten Schlummer auf, bereit dazu, zu töten, was immer ihn auch angriff. Eine große schwarze Gestalt stand auf dem Ast neben ihm, und Patch stürzte sich mit gefletschten Zähnen auf sie – und dann schlug ihn etwas, es war, wie von einem Ast getroffen zu werden, und er plumpste auf die Erde unter ihm. Glücklicherweise hatte er auf einem niedrigen Ast geschlafen, er kam verschrammt und wütend, aber nicht ernsthaft verletzt auf die Beine, sein Schwanz war vor Zorn und Angst aufgestellt.

Dann hielt er an, schaute sich um und entschied, dass er diesmal wirklich geträumt hatte, so musste es sein. Da er auf der Eiche geschlafen hatte, welche König Thorns Hof war und sie und alle Bäume um sie herum voll von Ramble und Nördlichen und Baumkroneneichhörnchen waren; und alle diese Eichhörnchen, inklusive Sharpclaw und Twitch und die sie umgebende Königliche Wache waren auf ihrem Platz wie geschnitzte Figuren mit einem entsetzten Ausdruck auf ihren bewegungslosen Gesichtern erstarrt, und die Krähen auf den Ästen starrten auf dieselbe stocksteife Art und Weise. Alle Augen fixierten einen Punkt genau hinter Patch. Er hörte ein flatterndes Geräusch.

Langsam drehte er sich um.

„Du warst außerordentlich nachlässig auf deiner Mission, Patch, Sohn von Silver,“ sagte Karmerruk trocken. „Ich habe mir dich schon vorgestellt, wie du von Krähen gefressen wirst. Warum ließest du mir keine Nachricht zukommen?“

Patch erholte sich genügend von seiner Verblüffung, um „Wie?“ zu sagen.

„Dein kleiner Bluejayfreund.“

„Ich habe ihn nicht getroffen.“

Karmerruk nickte. „Ich nehme an, auch er dachte, du seiest im Ramble gefallen. Nun, besser spät ausgebrütet als herausgefallen. Welcher dieser zerzausten Fellbälle ist dein König Thorn?“

Patch schaute die Eiche hinauf. „Er wird oben in der Krone sein.“

„Ist dem so.“ Karmerruk sprang in die Luft – dann ließ er sich zu Patch herunter, packte ihn mit seinen qualvollen Klauen und trug ihn mit Flügelschlägen, welche so kraftvoll waren, dass sie die Äste der Eiche erzitterten ließen als wären sie von einem Sturm gepeitscht, hinauf in die Spitze von König Thorns Hof. Patch stöhnte, als Karmerruk ihn in der Krone des Eichenbaums, inmitten des Kriegsrates des Königs, welcher Silver und Stardancer einschloss, absetzte. Sie alle starrten Patch und seine Vogelbegleitung sprachlos an.

„Lass diese Reise eine Erinnerung sein, dass ich mich nicht für deine Verzögerungen erwärmen kann,“ sagte Karmerruk scharf zu Patch. „Nun stell mich deinem König vor und sage ihm, dass ich den Tod seines Feindes wünsche.“

Patch benötigte einen Augenblick, um sich zu sammeln, dann drehte er sich um und sagte: „König Thorn, das ist Karmerruk, Prinz der Lüfte. Er will dir ein Bündnis vorschlagen.“

Ihre Situation war verzweifelt, alle waren außer sich vor Sorge und Erschöpfung und Blut tropfte aus Patchs frischen Wunden der Klauen, aber er verspürte trotzdem eine gewisse Befriedigung durch den verblüfften Ausdruck von König Thorn und seinem Kriegsrat.

„Es ist zu spät,“ sagte Stardancer, der rotfellige Lord des Nördlichen Stammes. „Ein Bussard, wie gefährlich er auch immer sein mag, kann uns nicht retten.“

„Doch, kann er,“ sagte Silver. „Er kann Redeye und Sniffer und Snout töten, falls er sie aufspüren kann. Ohne sie wird die Wiesenarmee zurückfallen. Ohne sie werden sie vielleicht sogar den wahren König anerkennen. Sie wollen nicht gegen uns kämpfen. Sie werden dazu gezwungen.“

Thorn blickt zu Patch. „Ist das möglich?“

Patch übersetzte.

Karmerruk gackerte missfallend. „Ich hätte Snout schon lange aufgefressen, falls er sich gezeigt hätte, aber er muss wissen, dass er gejagt wird, er bleibt in der Nacht und in der Unterwelt. Was Eichhörnchen angeht, wie kann ich euresgleichen voneinander unterscheiden? Vielleicht, wenn du sie mir zeigen kannst. Aber was ich gehofft hatte war, dass ihr Snout vielleicht ins Freie locken könntet.“

„Wie?“ fragte Patch.

Karmerruk zuckte gebieterisch mit den Schultern. „Ich gebe nicht vor, die Gedanken krabbelnder Erdlinge zu verstehen. Deshalb bin ich zu euch gekommen.“

Patch übersetzte dem Kriegsrat.

„Sag ihm einfach ja,“ sagte Silver, bevor Thorn antworten konnte. „Sag ihm, wir werden alles tun, dass er verlangt. Sie werden bald kommen, um uns zu holen, für die letzte Schlacht. Zumindest Redeye und Sniffer werden da sein. Wenn er sie kriegen kann – jede Hoffnung ist besser als keine Hoffnung. Mit ihm haben wir zumindest eine Chance, wie klein auch immer sie sein mag.“

Thorn sah sie verärgert an und öffnete seinen Mund, so als wolle er widersprechen, aber Patch übermittelte Karmerruk bereits ihre Zustimmung.

Karmerruk nickte, als wäre die Aussage offensichtlich gewesen. „Dann werde ich warten, anstatt mich zu früh zu zeigen. Wenn die letzte Schlacht stattfindet, werde ich kommen und dich finden Patch, Sohn von Silver, und du wirst mir deine Feinde zeigen. Erinnere dich daran, dass falls du versagst dein König und alle seine Stämme vollständig zerstört werden.“

Er breitete seine riesigen Flügel zum Abflug bereit aus.

„Warte!“ sagte Patch.

Karmerruk seufzte und faltete seine Flügel zusammen. „Was gibt es?“

„Das letzte Mal als ich dich sah, sagtest du etwas über die Königin Aller Katzen.“

Der Bussard zuckte zusammen. „Was ist mit ihr?“

„Weißt du, wo sie ist?“

Karmerruk wartete, bevor er antwortete und als er redete, klang seine Stimme seltsam und pfeifend, und Patch ertappte sich dabei, wie er sich selbst fragte, ob der Prinz der Lüfte tatsächlich nervös war.

„Selbst wenn ich es tue? Was nützt es dir?“ wollte Karmerruk wissen.

Patch wählte sorgfältig seine Worte, bevor er sprach. „Ich weiß, dass sie ein Feind von Lord Snout ist, und sie kennt die Nacht und die Unterwelt. Sie könnte ihn möglicherweise finden und in deine Klauen treiben.“

Karmerruk runzelte die Stirn und dachte eine – zumindest gefühlte – lange Zeit nach. Die Eichhörnchen aus König Thorns Kriegsrat hörten leise zu, keines von ihnen sprach auch nur ein klein wenig die Vogelsprache, aber es schien fast so, als wussten sie, dass diese Frage und ihre Antwort von größter Wichtigkeit waren.

„Der Feind meines Feindes,“ brummelte Karmerruk. „Ja ich weiß, wo sie ist. Ich habe sie auf den stählernen Ästen ihres Palastes stehen gesehen, unverteidigt, die Große Prachtstraße hinabschauend…ich hätte…aber die Prophezeiung…nichts, das geht oder fliegt oder schwimmt –“

„Wo ist sie?“ fragte Patch.

„Sie hat die Berge verlassen,“ sagte Karmerruk. „Während wir uns unterhalten, ist sie schon mit ihren Wachen im Mittleren Königreich. Ich habe sie heute früh im Ramble gesehen. Was tun sie hier, Patch, Sohn von Silver? Was weißt du über sie?“

Patchs Herz hüpfte. „Sie ist im Ramble?“

„Warum würde sie und ihr Gefolge die Berge verlassen?“ wollte Karmerruk wissen. „Weißt du das?“

Langsam und erstaunt sagte Patch: „Vielleicht sucht sie nach mir.“

Karmerruk starrte zornig auf ihn herab. „Sehr witzig, kleines Eichhörnchen. Ich werde zur letzten Schlacht zurück sein. Ich werde erwarten, dass du auf meine Fragen dann ernsthafter antwortest.“

Er sprang von der Eiche und schwang sich in die Luft. Die Eichhörnchen aus König Thorns Kriegsrat starrten Patch an. Er überlegte, ihnen von Zelina zu erzählen – aber wahrscheinlich würden sie ihm nicht glauben, und selbst wenn sie es täten, machte es keinen Sinn, ihnen Hoffnung zu machen, die sich als falsch herausstellen könnte.

„Er wird zur letzten Schlacht kommen,“ sagte Patch.

Nach einer Pause sagte Sharpclaw grimmig: „Er wird nicht lange warten müssen.“

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Jon Evans is the award-winning author of the thrillers Invisible Armies, Dark Places (aka Trail of the Dead), and The Blood Price. See his web site rezendi.com.

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