A children's book for adults by Jon Evans
Aus dem amerikanischen Englisch von Sven Räbiger

5. September 2007

52. Das Untere Tor

„Beeil dich,“ sagte Coyote mit schimpfender Stimme. „Wir müssen den Eingang bis zum Einbruch der Dunkelheit erreicht haben, oder du wirst so sicher wie der Sonnenaufgang Rattenfutter sein. Renn, Patch. Renn!

Coyote ging zum Galopp über und Patch versuchte alles, um mit ihm mitzuhalten. Sie rannten nordwärts, in Richtung der Großen See; zuerst über Grünflächen, dann hin zu einem steilen, mit einer Steinwand versehenen Graben, in dem eine menschengemachte Schnellstraße halb vergraben dalag. Dies war Wiesenterritorium und Patch war nervös, als er es durchquerte, aber er sah keine anderen Eichhörnchen. Tatsächlich sah er, seit er mit Coyote zusammen war, überhaupt keine einzige Kreatur, nicht einmal einen Vogel oder einen Käfer.

„Hier,“ sagte Coyote, während er an einer steilen und überwucherten Böschung, die einer menschengemachten Mauer hinunter zum Rand des Schnellstraßengrabens folgte zum halten kam. „Schau genau hin.“

Patch runzelte die Stirn. Die Luft hier stank nach Ratte und die sandigen Flecken auf der grünen Böschung waren voll mit frischen Rattenspuren. Die Böschung war dicht mit einer Kletterpflanze bewachsen, welche irgendeine Mischung zwischen einer Rebe und einem Busch war. Die Mauer unter ihr bestand aus abgebröckeltem Backstein. In einer dunklen Höhle ganz unten an dieser Mauer lagen, fast vollständig verdeckt durch die glänzenden Blätter der Kletterpflanze, ein paar zerbrochene Backsteine lose auf einem Haufen. Ein feuchter, kränklicher Wind entwich aus dem Loch, welches sich dort enthüllte; ein Wind gleich einem Todeshauch, ein Wind, der nach Ratten roch und Dunkelheit und Wasser und nach hundert Jahren Verwesung – und nach etwas anderem, etwas, das Patch nicht kannte, etwas, das ihn an das beinlose, glitschige Monstrum, das er im Königreich des Wahnsinns gesehen hatte, denken ließ. Er zitterte und wich langsam vor dem dunklen Loch in der Mauer zurück.

„Natürlich gibt es zahllose Wege ins Untere Königreich,“ sagte Coyote. „Jeder Abflusskanal, jede Rinne, jede zerbrochene Kellerwand. Aber dieses Tor ist etwas Besonderes. Dieser Durchgang ist sehr alt, kleiner Patch, älter als die meisten der Menschenberge. Würdest du den Unteren König suchen, würdest du gut daran tun, deine Reise genau hier zu beginnen.“

„Ich suche nicht nach dem Unteren König,“ sagte Patch aufgeschreckt. „Ich suche nach König Thorn.“

„Natürlich tust du das. Und du weißt, wo er ist. Er ist im Norden.“

„Also gehe ich in den Norden.“

„Natürlich tust du das.“ Coyotes Grinsen wurde breiter. „Und ich schlage vor, du beeilst dich. Es wird bald Nacht sein. Und wenn der Einbruch der Dunkelheit kommt, wird dies hier kein gesunder Ort sein, nicht für fellige Dinger wie dich. Lord Snout wird kommen und er ist nicht allein. Ich schlage vor, du schaffst eine Entfernung zwischen dir und diesem Ort bevor es dunkel wird, Patch, Sohn von Silver. All die Entfernung, die du bewältigen kannst.“

Patch betrachtete Coyote einen Augenblick lang. Coyote grinste zurück. Seine Zähne schienen jetzt irgendwie schärfer zu sein und seine goldenen Augen waren nicht länger mit Lachen erfüllt, sie waren glänzende Raubtieraugen. Patch wich langsam zurück.

„Renn, Patch,“ flüsterte Coyote. „Renn, bevor es zu spät ist.“

Mit diesen Worten wuchs der Schrecken in Patchs Verstand an wie eine Welle, die alle restlichen Gedanken ertränkte. Er wirbelte herum und rannte so schnell er konnte. Als er die Große See erreichte, war er sich dessen kaum bewusst, er lief weiter, in den Norden. Trotz der Bedrohung durch Eulen rannte er, bis es zu dunkel war, um sehen zu können, und als er einen Baum für die Nacht erkletterte, ging er so tief wie möglich in seine miteinander verflochtenen Äste hinein. Dort kauerte er sich vor Angst keuchend, so als wäre er von tödlichen Feinden umgeben, zusammen und alle seine Träume in dieser Nacht waren Alpträume.

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Jon Evans is the award-winning author of the thrillers Invisible Armies, Dark Places (aka Trail of the Dead), and The Blood Price. See his web site rezendi.com.

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