A children's book for adults by Jon Evans
Aus dem amerikanischen Englisch von Sven Räbiger

14. August 2007

30. Monster

Auf ihrem Weg zurück zur Luftstraße fand Zelina ein Rotkehlchennest, das der Wind auf den Boden hinuntergeweht hatte und unter den hilflosen Blicken der Rotkehlchenmutter zerbrach und verschlang die Katze gierig sämtliche Eier. Patch dachte an die Rotkehlchenbabys, die ihn in ihrer Mitte aufgenommen und ihm die Vogelsprache beigebracht hatten, und versuchte, nicht hinzuschauen. Es gab, wie immer nach dem Regen, etliche Würmer auf dem Boden und er aß einige davon. Er mochte weder ihren schlammigen Geschmack, noch wie sie sich in seinem Mund wanden, aber zumindest füllten sie seinen Bauch.

„Denkst du, dass es wirklich Monster in der Nähe der Schnellstraße gibt?“ fragte Zelina, nachdem sie mit dem Essen fertig waren.

„Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß ist, dass diese Eichhörnchen verängstigt waren.“ Patch überlegte. „Lass uns unsere eigenen Geruchsspuren zurückverfolgen, nur um sicherzugehen.“

Sie folgten ihren Hindernisparcours zurück zur Schnellstraße. Die Drähte der Luftstraße waren schon in Sichtweite, als Patch, der wegen seiner empfindlicheren Nase voranging, plötzlich erstarrte und anhielt.

„Was gibt’s“ fragte Zelina.

Patch sagte nervös, „Ich denke, ich rieche Fuchs.“

„Was ist ein Fuchs?“

„Das willst du nicht herausfinden.“

Patch machte ein paar versuchsweise Schritte nach vorne. Die Luftstraße war so nah – aber der Fuchsgeruch wurde hier definitiv stärker. Als Nachwirkungen des Sturms wirbelte immer noch ein Windchen herum und Patch konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, aus welcher Richtung die Fährte kam, nur dass sie jüngst zwischen ihnen und der Schnellstraße gewesen war…und jetzt überall sein konnte.

„Wir werden nach Süden in Richtung der Menschengefilde gehen,“ sagte Patch leise. „Halte deine Augen und Ohren offen. Sie sind besser als meine.“

Zelina stimmte zu. Während sie nach Süden gingen, wurde der Fuchsgeruch schwächer, verschwand aber nicht. Patch versuchte, nach Westen in Richtung der Straße zurückzugehen, aber er wurde wieder stärker. Sie gingen weiter nach Süden.

„Da ist etwas hinter uns,“ sagte Zelina mit verkrampfter Stimme. „Es bewegt sich in den Büschen. Etwas, das größer ist als wir.“

Patch wusste, dass die Menschengefilde nicht weit entfernt lagen. Falls sie den Zaun am südlichen Ende der Wildnis erreichen konnten, wären sie in Sicherheit.

„Renn!“ sagte er.

Er und Zelina spurteten so schnell sie konnten nach Süden. Sie rannten so schnell, dass es bereits zu spät war, als Patch den scharfen Geruch von Metall unter seinen Pfoten roch.

Das nächste, an das er ich erinnerte war, dass er kopfüber mitten in der Luft hing und seine linke Hinterpfote von einem Ring aus Höllenqualen umgeben war. Die Erde war über seinem Kopf und hüpfte schwindelerregend näher und dann wieder weiter weg. Patch schrie vor Schmerz, Angst und Verwirrung. Als er hinunter schaute, sah er, dass sein Hinterbein von einer engen Schlaufe aus glitzerndem Draht umgarnt war. Der Draht hing von einem Ast herab, der auf- und abhüpfte.

„Hilfe!“ schrie er zu Zelina. „Hilf mir“

Zelina schaute nach Norden, von wo die raschelnden Geräusche gekommen waren; dann nach Süden, wo der Drahtzaun, der die Grenze der Wildnis markierte, durch die Bäume zu sehen war.
„Oh es tut mir leid Patch,“ sagte Zelina mit vor Emotionen bebender Stimme. „Ich weiß nicht, wie. Und da kommt etwas Grässliches. Ich kann es riechen.“

„Bitte,“ flehte Patch sie an.

„Es tut mir so leid,“ sagte Zelina, machte zwei Schritte nach Süden – “

– und dann flog plötzlich ein Ast mit einem silbrigen Metallblitz unterhalb von ihr hoch in die Luft und auch Zelina baumelte kopfüber hilflos und schreiend von einer Metallschlaufe herab.

Patch versuchte zu kämpfen, aber jede Bewegung ließ den Draht um sein Bein nur noch enger werden. Die Schmerzen waren fürchterlich. Blut tropfte von seinem Bein auf seinen Körper hinab. Kopfüber zu sein verursachte ihm Übelkeit und er konnte die Dinge, die er sah kaum begreifen. Er sah eine Bewegung, etwas, dass durch die umgedrehten Bäume streifte, aber nur durch seinen Geruch erkannte er, dass es der Fuchs war.

„Oh Freudentag der baumelnden Entzückungen,“ sagte der Fuchs und es lag ein Lachen in seiner Stimme. „Oh loyale Monster, oh hilfreiche Schwerkraft, ihr habt eure Arbeit so bewundernswert verrichtet.“

„Dies sind nicht deine Monster,“ schaffte es Patch zu sagen, obwohl es schwer war, kopfüber zu sprechen. „Dies ist Menschenwerk.“

„Dies ist Menschenwerk,“ pflichtete der Fuchs ihm bei, „aber es funktioniert in meinem Sinne. Sie bringen die Fallen und ich ängstige panische Kaninchen, dumme Eichhörnchen und törichte Katzen in sie hinein. Und dann hängt mein Abendessen vor mir in der Luft.“

„Lass mich gehen!“ schrie Zelina. „Ich bin die Königin Aller Katzen!“

„Bist du das wirklich, oh kleiner Happen, der in der Brise schwingt? Nun dann, Eure Hoheit, ich fühle mich auf das gnädigste geehrt, Ihre allzu kurze Bekanntschaft zu machen. Erlauben Sie mir, mich ebenfalls vorzustellen. Ich bin Talis, der hungrige Fuchs. Und ich überbringe die traurige Nachricht, dass zwischen Königtum und Hunger nicht wirklich eine Wahl besteht.“

„Du bist eine abscheuliche Bestie, die deinen Brüdern und Schwestern zum Fraß vorgeworfen gehört hätte,“ fauchte Zelina. „Du bist so abstoßend, dass der Mond weint, wenn er dich sehen muss, falls du dich jemals getraust, dein widerliches Gesicht gen Himmel zu wenden. Du verschwörst dich mit Ratten und Reptilien, du kopulierst mit Küchenschaben und wenn dich andere Füchse riechen, vertreiben sie dich von ihren Bauten!“

Patch sah einen metallenen Schimmer am Boden zwischen dem Fuchs und der Katze, dann verstand er.

„Richtig,“ sagte Talis, „du stirbst zuerst.“

Er rannte auf Zelina zu; ein Ast mit einem Draht im Schlepptau sprang in die Höhe; und plötzlich baumelte auch Talis in der Luft, an seinem Vorderbein hängend und vor Schreck und Schmerz jaulend. Durch seine eigenen wahnsinnigen Schmerzen hindurch spürte Patch eine gewisse tödliche Befriedigung.

Zu dem Zeitpunkt, an dem die Menschen kamen, war diese Befriedigung schon längst verflogen. Es war Nacht geworden und Patch konnte seine eigene Pfote nicht mehr spüren.

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Jon Evans is the award-winning author of the thrillers Invisible Armies, Dark Places (aka Trail of the Dead), and The Blood Price. See his web site rezendi.com.

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