24. Der Strand
Patch wurde durch das rasselnde Geräusch des Windes im trockenen Dünengras geweckt. Die Sonne war warm und der Wind fegte so stark über den Strand, dass er kleine Ranken aus Sand vom Boden fort hob. Er hatte noch niemals zuvor solches Gras, wie jenes, das ihn umgab, gesehen; golden und braun, mit breiten Stängeln, die Wurzeln ihrer Halme wie ein riesiges im Sand versunkenes Spinnennetz verfilzt und verwoben.
Patch war kalt, er war am verhungern und fürchterlich durstig. Er hatte beinahe seine ganze Kraft beim Überqueren des Wassers verbraucht. Aber es gab keine Nahrung am Strand. Alles was er roch, war salzige Luft und trockenes Gras. Er ging landeinwärts, wobei er sich langsam bewegte; er war so schwach, dass es schwierig war, die Sanddünen zu erklimmen. Er musste für einen Moment Rast machen, nachdem er über den niedrigen Drahtzaun, an dem er vorüber kam, geklettert war; einen Zaun, den er normalerweise ohne darüber nachzudenken überquert hätte. Während er vorwärts hinkte, wusste Patch, dass er niemals in der Lage sein würde wegzurennen, falls ihn die Gefahr jetzt finden würde.
Als er weiter landeinwärts kam, wuchs das Gras dichter und zu ihm gesellten sich Büsche und Kletterpflanzen. Er kam an einer Rebe mit glänzenden Blättern und hellen, schmackhaft aussehenden Beeren vorbei – aber ihr Geruch veranlasste seinen Schwanz, sich aufzustellen und so manövrierte er um sie herum. Als aus dem Sand Erdboden wurde, fand er ein paar saftige Triebe und Blumen, welche er vertilgte, aber sie waren nicht genug, um seinen Hunger zu stillen oder seinen Durst zu löschen.
Dann drehte der Wind und er roch zwei Dinge. Süßwasser und eine Katze.
Normalerweise wäre Patch dem Katzengeruch aus dem Weg gegangen. Katzen waren größer und schneller als Eichhörnchen und viel bösartiger und gefährlicher; und während zwar Vögel, Mäuse und Ratten ihre bevorzugte Beute waren, unterschieden sich Eichhörnchen nicht so sehr von ihnen. Aber es gab Süßwasser in der Nähe der Katze – und außerdem lebten Katzen oft in der Nähe von Menschen und Patch war viel geübter darin, in Menschengefilden zu überleben, als in dieser trostlosen Wildnis.
Er änderte seine Richtung und bewegte sich windwärts den Gerüchen folgend, bis er eine buschbewachsene Erhöhung erklomm und eine blockartige Betonkonstruktion sah, welche größtenteils in der sandigen Erde der nächsten Anhöhe eingegraben war. Ein Teil ihres flachen Daches ragte aus der Erde heraus und in dieser Ecke gab es eine Senke voll mit Regenwasser. Es roch abgestanden aber trinkbar. Der Katzengeruch war stärker als je zuvor.
Patch näherte sich vorsichtig, aber er blieb unbehelligt, während er seinen Durst löschte. Zuerst nahm er an, dass die Katze einfach weggegangen war. Aber als er die Anhöhe hinabstieg, sah er, dass ein großes Loch, welches von Menschen gemacht worden war und das groß genug für einen Hund war in der Seite des Betonblockes klaffte und der Umriss einer kleinen Katze sich schwach in seinem Inneren abzeichnete. Ihr Fell sträubte sich und stank vor Wut und Angst. Patch erstarrte.
„Wer bist du, der es wagt, mich zu stören?“ wollte die Katze wissen.
„Ich bin Patch, Sohn von Silver, aus der Suchersippe, vom Baumkronenstamm, aus dem Mittleren Königreich, “ sagte Patch. „Wer bist du, der das wissen will?“
Die Katze machte zwei stolzierende Schritte hinaus ins Licht. Sie war vollkommen schwarz bis auf die zwei grünen Agen, welche Patch mit hochmütiger Geringschätzung anstarrten. Sie sagte: „Mein Name ist Zelina, und ich bin die Königin Aller Katzen.“
Patch fragte sich, ob ihn das Boot zurück zum Königreich des Wahnsinns gebracht hatte.
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