A children's book for adults by Jon Evans
Aus dem amerikanischen Englisch von Sven Räbiger

5. August 2007

21. Glaw

An seinem dreizehnten Morgen im Königreich des Wahnsinns stand Patch auf einem Stein direkt am Ufer des Großen Wassers, so nah, dass er eine Pfote hätte nass machen können und starrte zu den glänzenden Bergen in der Ferne hinüber. Das Wasser roch nach Salz. Er war sehnsüchtig aber nicht tollkühn, und so stand er gleich neben einem am Wasser stehenden Busch, in dem er sich hätte verstecken können, er schaute oft zum Himmel hinauf und hinter sich zum Land hin, um so nach Gefahren zu suchen. Um sich herum sah er nur Möwen, welche in der Luft kreisten und sich gegenseitig mit ihren klagenden Stimmen zuriefen:

„Ich haben so Hunger! Wo sein Fische?“

„Hast du Fische gesehen? Ich haben immer noch Hunger!“

„Ich will mehr Fisch!“

Zu Patchs Überraschung segelte eine Taube vom Himmel herab und setzte sich auf einen Stein neben ihm. „Entschuldigung,“ sagte die Taube, „ist dein Name Patch?“

„Daffa!“ schrie Patch. „Du erinnerst dich an mich!“

„Ja natürlich. Das heißt, ich erinnere mich an dein Gesicht und an deinen Namen. Ich fürchte, ich kann mich an überhaupt nichts von dem erinnern, worüber wir gesprochen haben. Aber ich kann dich exakt zu der Stelle führen, an der wir uns begegnet sind, daran habe ich eine perfekte Erinnerung. Ich suche nach meinem Zuhause. Habe ich dir das schon erzählt?“

„Ja.“

„Das tue ich für gewöhnlich,“ seufzte Daffa. „Nach was suchst du? Nach Fischen? Essen Eichhörnchen Fische?“

„Nein. Ich suche nach einem Weg heim ins Mittlere Königreich. Aber ich finde keine Möglichkeit, um nach oben auf die Brücke zu gelangen.“

„Warum fliegst du nicht einfach? – Oh, verstehe. Oh, dir geht es genau wie mir, Patch, du armer Tropf, suchst nach deinem Zuhause im Wissen, dass du es nie finden wirst.“

„Ich werde,“ sagte Patch hartnäckig. „ Und du genauso.“

„Es ist sehr nett von dir, so etwas zu sagen. Obwohl ich keine Möglichkeit sehe, wie du zurück zum Mittleren Königreich gelangen kannst. Aber ich sag dir was, ich werde da rauf gehen und die Möwen fragen, ob sie einen Weg wissen, sicher kennen sie diese Gewässer und Brücken besser als ich.“

Daffa erhob sich in den Himmel und flog an einige der kreisenden Möwen heran. Eine kurze Zeit später kehrte er, gefolgt von einer Möwe, zurück.

„Patch, das ist Glaw,“ sagte Daffa. „Für eine Möwe ist er sehr hilfsbereit. Glaw, Patch möchte wissen…du meine Güte. Es tut mir furchtbar leid Patch, ich habe vergessen, was du wolltest.“

„Ich will nach oben auf die Brücke gelangen,“ sagte Patch.

„Brücke?“ fragte Glaw. „Oh nein, du nicht wollen Brücke.“

„Was stimmt mit ihr nicht?“

„Kein Fisch auf Brücke.“

Patch blinzelte. „Aber –“

„Kein Fisch an Land. Du nicht kannst tauchen. Für Erdling wie dich, gar kein Fisch.“

„Tatsächlich bin ich –“

„Fisch auf Boot, vielleicht,“ sagte Glaw skeptisch. „Mit Menschen. Menschen gehen in Boot hinein für Fisch.“

„Was ist ein Boot?“ fragte Patch.

Glaw zeigte mit einem Flügel auf ein vorbeifahrendes, menschengemachtes Monstrum, eine metallene Halbschale so groß wie ein Berg, die unter der Brücke hindurch und hinaus in die endlosen Weiten des Wassers trieb. „Wie das. Aber klein.“

Patch stellte sich aufrecht auf seine Hinterbeine, als er zu begreifen begann. „Du meinst, besteige ein menschengemachtes Ding.“

„Menschen ziehen Fisch in Boot. Manchmal sie werfen Fisch aus Boot. Manchmal sie gehen weg von Boot und lassen da Fisch.“

„Ein Boot. Nimm das Boot übers Wasser. Benutz die Brücke überhaupt nicht.“

„Kein Fisch auf Brücke,“ pflichtete Glaw ihm bei.

„Wo finde ich ein Boot?“ fragte Patch.

Glaw sagte, „Ich haben Hunger. Ich wollen Fisch.“

„Bitte Glaw,“ sagte Patch. „Bitte. Ich muss mein Zuhause finden. Ich muss ein Boot finden. Bitte hilf mir, wenn du kannst.“

„Das ist so furchtbar rührend,“ sagte Daffa leise. „Es gibt nichts Traurigeres als ein Tier ohne Zuhause. Oh hilf ihm Glaw, geh und hilf ihm.“

Nach einer langen Weile seufzte Glaw resigniert und sagte: „Ich dir zeigen Boot.“

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Jon Evans is the award-winning author of the thrillers Invisible Armies, Dark Places (aka Trail of the Dead), and The Blood Price. See his web site rezendi.com.

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