18. Reise durch den Wahnsinn
Patchs Reise durch das Königreich des Wahnsinns dauerte elf Tage lang. Es ist nicht meine Absicht, dir alles zu erzählen, was er sah oder tat. Ich werde dir erzählen, dass er Füchse sah, zweimal, von hoch oben auf der Luftstraße. Einmal sah er eine anmutige, wunderschöne Kreatur, deren Namen er nicht kannte und welche groß wie ein Mensch war mit glänzendem roten Fell und langen spindeldürren Beinen. Und einmal sah er ein langes, beinloses, glitschiges Ding mit vernarbter Haut. Dieses Ding ließ das Blut in Patchs Adern vor Schreck gefrieren und er rannte so schnell er konnte vor ihm davon.
Er hielt Abstand zu anderen Tieren, besonders zu anderen Eichhörnchen. Er aß Ahornknospen, Blumen, Maden und Insekten. Gelegentlich sah oder roch er Nüsse auf dem Waldboden und stieg hinab, um sie zu essen, aber er tat dies mit großer Umsicht und kehrte sofort danach zur Luftstraße zurück. Er versuchte, mit Vögeln zu sprechen, aber jene, die im Königreich des Wahnsinns nisteten, waren sogar noch angeschlagener als die Säugetiere und ihr Gerede machte überhaupt keinen Sinn. Er schlief in den Biegungen von sich treffenden, hoch liegenden Ästen oder in kobelartigen Höhlen, nachdem er sich überzeugt hatte, dass diese schon seit langer Zeit verlassen waren.
Am fünften Tag erreichte er den Rand des Waldes. Hinter diesem lag eine ausgedehnte Fläche voll menschlicher Gebäude, welche ziemlich klein im Vergleich zu denen waren, die das Mittlere Königreich umgaben; eher Hügel als Berge. Er verbrachte einen weiteren Tag damit, sich am Waldrand entlang in nordöstlicher Richtung zu bewegen. An diesem Tag musste er vier Ödlandstreifen, welche von Todesmaschinen heimgesucht wurden, überqueren und er machte eine wichtige Entdeckung.
Wie im Mittleren Königreich hatten die Menschen auch hier metallene Baumstämme aufgestellt, von denen blinkende Lichter herabhingen. Aber anders als im Mittleren Königreich war es damit nicht genug. Hier waren die endlosen Streifen Ödlands, welche das Menschengebiet durchzogen, mit Bäumen gesäumt. Es gab echte Bäume, grün und in vollem Saft, aber auch tote, gefällte Baumstämme, welche vollkommen senkrecht waren. Und diese toten Baumstämme waren untereinander mittels eines unendlichen Netzes aus Drahtseilen verbunden. Diese Drahtseile bogen sich unter Patchs Gewicht durch, sie fühlten sich komisch zwischen seinen Pfoten an und manchmal gaben sie ein beunruhigendes, summendes Geräusch von sich, welches Patch sich schlecht und schwindelig fühlen lies – aber sie boten einen einfachen Weg zur Überquerung der Ödlandstreifen hoch oben über den Todesmaschinen.
Am sechsten Tag seiner Reise lies Patch den Wald endgültig hinter sich und überquerte Menschenterritorien auf dieser Draht-Luftstraße. Er kam zügig voran. Mit dem Frühling kam ein Überfluss an Nahrung, sogar in den Menschengefilden. Und am siebten Tag, als er auf der Luftstraße einen Hügel erklomm und dann auf den höchsten Ast des höchsten Baumes auf diesem Hügel kletterte, sah er die blassgrauen Türme, die über seinem Ziel aufragten: die riesige Metallspanne, die über den Fluss und fort vom Königreich des Wahnsinns führte.
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